Goldschmiedetechniken: Ein Blick hinter die Kulissen der Schmuckherstellung
Die Schmuckherstellung ist eine Kunst, die Geduld, Präzision und ein tiefes Verständnis für die verschiedensten Materialien und Goldschmiedetechniken erfordert. In diesem Blog möchte ich dir unseren einzigartigen Herstellungsprozess etwas näher bringen und vielleicht treffen wir uns bald in unserem Atelier, um gemeinsam ein Schmuckstück von unvergleichlicher Schönheit zu schaffen.

Das erste Gespräch
Der alte Holzboden und die wuchtigen Tresore entführen die Gedanken in längst vergangene Zeiten, der alte Holztisch mit der halbrunden Einbuchtung an der Kante steht schon seit 1919 im ersten Stock des altehrwürdigen Hauses – hier beginnt unser Prozess, in unserem Atelier in Bern.
Bei deinem ersten Besuch lernen wir dich und deine Vorstellungen besser kennen. Was bedeutet dir Schmuck? Ist er ein Ausdruck deiner Persönlichkeit, ein Zeichen der Liebe oder ein Symbol für ein besonderes Ereignis? Jedes Gespräch ist einzigartig – und so sollen auch deine Wünsche sein.
Deine persönliche Note
Vielleicht lässt du dich von Schmuckstücken aus unserem Laden inspirieren und möchtest etwas Ähnliches, oder du hast eine ganz eigene Vision. Egal ob es um die Auswahl der Steine, die Verwendung besonderer Materialien oder spezifische Masse geht – wir gestalten jedes Schmuckstück nach deinen Vorstellungen. Deine Kreativität setzt die Grenzen!
Ist es nicht ein Schmuckstück aus unserem Sortiment, das dich inspiriert, fertigen wir nach unserem Gespräch individuelle Zeichnungen an – noch ganz «Old School» von Hand. Diese persönliche Note schätzen unsere Kund:innen besonders, denn sie spiegelt die handwerkliche Sorgfalt wider, die auch in unsere Schmuckstücke fliesst.
Das Rohmaterial
Bevor der Herstellungsprozess bei einer Anfertigung in Metall startet, planen wir diesen sorgfältig Schritt für Schritt – von der Anfertigung der Einzelteile bis hin zur endgültigen Montage. Dabei werden ebenfalls Masse wie Griffdicke, Höhe der Fassungen, Dicke vom Fassungsrand oder Breite und Dicke der Ringschiene festgelegt.
Wir verwenden Vierkant-Walzdraht oder Blech und formen aus diesen Rohmaterialien mit Präzision und Hingabe deine individuellen Schmuckstücke. Um effizient und materialsparend zu arbeiten, verwenden wir Vierkant- und Blechwalzen, um das Metall auf die gewünschte Grösse zu bringen.
Wenn wir beispielsweise Vierkant-Walzdraht mit den Massen 6 x 6 mm haben und Runddraht mit einer Dicke von 1,0 mm herstellen müssen, walzen wir den Walzdraht zunächst auf 1,5 mm und ziehen ihn anschliessend durch ein Zieheisen.
Zieheisen sind in verschiedenen Profilen verfügbar, darunter rund, viereckig, rechteckig, oval, tropfenförmig oder sternförmig. In unserem Falle benötigen wir ein rundes Zieheisen. Der Draht wird dann Loch für Loch kleiner gezogen und jeweils um 0,05 mm dünner bis er die gewünschte Dicke aufweist.
Die kalte Kunst
Anders, als du vielleicht denkst, bearbeiten wir das Metall im kalten Zustand. Dies erfordert regelmässiges Ausglühen, damit sich das Kristallsystem entspannt – die sogenannte Rekristallisation – und das Metall weiterbearbeitet werden kann. Wird nicht regelmässig ausgeglüht, entstehen Risse und das Metall wird unbrauchbar.
Um das Metall zu verformen, benötigen wir nebst Walzen und Zieheisen unterschiedliche Hämmer, Zangen, Punzensätze mit verschiedenen Formen, Einstaucheisen in verschiedenen Formen sowie den Amboss.
Bei speziellen Formen eines Schmuckstücks kommt es oft vor, dass wir uns ein Hilfsmittel zur Verformung anfertigen müssen. Diese Hilfsmittel fertigen wir uns beispielsweise aus Holz, Stahl oder Messing an.
Die Fournituren
Grundsätzlich fertigen wir jedes Element einer Neuanfertigung selbst an, doch nutzen wir für spezifische Teile auch fertige Fournituren. Dazu gehören:
- Steck- oder Schraubsysteme für Ohrschmuck
- Ohrclipmechaniken
- Brisuren
- Verschlüsse wie Karabiner, Federringe, Bajonettverschlüsse
- Kugel- und Ziehsicherungen von Broschen
- Manschettenknopfmechaniken
Bei besonderen Wünschen oder Anforderungen können wir die Fornituren natürlich auch anpassen.
Die Fassungen
Bei der Herstellung eines Schmuckstückes werden meistens mehrere Einzelteile angefertigt. Für die Herstellung eines Ringes mit einem Edelstein müssen wir beispielsweise eine Fassung fertigen, die den Edelstein hält und schützt. Dabei gibt es zahlreiche Möglichkeiten:
- Zargenfassungen
- Halbzargenfassungen
- Kastenfassungen
- Pavé- oder Kornfassungen
- Châtons mit Griffen (2, 3, 4, 5, bis 12 oder mehr)
- Grifffassungen mit Luftschnitt (rund, oval, rechteckig, viereckig, achteckig, tropfen, dreieckig und viele mehr)
Die Ringschienen
Die Ringschienen selbst kreieren wir in unzähligen Formen und Profilen, von klassisch bis ausgefallen:
- Parallele oder konisch verlaufende Ringschienen
- gewalzte oder geschmiedete Ringschienen
- Eckige, bombierte oder konkave Designs
- Mantelringe (Siegel- oder Wappenringe)
- Individuelle Fantasieformen und -designs
Das Vorpolieren
Nach der Anfertigung eines Teils widmen wir uns der sorgfältigen Vorbereitung für das Vorpolieren. Hierbei entfernen wir die letzten Spuren des Feilens, Kratzer und Eindrücke von Zangen. Dies erreichen wir durch den Einsatz von Schmirgelpapier, verschiedenen Gummirädern und speziellen Schmirgellatten, um eine fein geschliffene, polierfähige Oberfläche zu erzielen.
Vorpolieren ist ein entscheidender Schritt, da beim Zusammensetzen der Einzelteile spitze Winkel und versteckte Ecken entstehen, die später nur schwer erreichbar sind. Dieser Prozess stellt sicher, dass jede Oberfläche des Schmuckstücks einwandfrei bearbeitet und poliert werden kann.
Die Montage
Sobald die Teile vorpoliert sind, beginnt die präzise Montage. Diese kann entweder während des Herstellungsprozesses der Einzelteile oder erst nach deren Fertigstellung erfolgen. Dabei werden die Teile durch Hartlöten miteinander verbunden. Wir verwenden Lote in drei verschiedenen Temperaturen, um sicherzustellen, dass die einzelnen Komponenten des Schmuckstücks während der Montage stabil bleiben.
Der Lötprozess beginnt mit dem Lot, das die höchste Temperatur benötigt, und endet mit dem Lot, das die niedrigste Temperatur erfordert. In unserem Atelier setzen wir ausschliesslich auf traditionelles Löten, um höchste Qualität zu gewährleisten, da Laserverbindungen nur oberflächlich sind und nicht unseren Standards entsprechen.
Nachdem alle Einzelteile angebracht und miteinander verlötet sind, sind die Montagearbeiten abgeschlossen. Sollen Edelsteine direkt in das Schmuckstück eingefasst werden, wie beispielsweise bei der Pavé- oder Kornfassung, bohren wir entsprechende Löcher. Dies ermöglicht es den Edelsteinfasser:innen, die Steine präzise einzusetzen.
Der letzte Schliff
Einige Arbeitsschritte, wie das Fassen der Edelsteine, Gravieren oder Steinschleifen, werden extern durchgeführt. Nach deren Abschluss führen wir eine sorgfältige Abschlusskontrolle durch, um sicherzustellen, dass alle Teile und Verbindungen perfekt, die Steine korrekt gefasst und die Gravuren fehlerfrei sind.
Nach der Gravur und dem Fassen der Edelsteine kann das Schmuckstück feine Kratzer, Feilspuren oder Eindrücke von Zangen aufweisen. Diese arbeiten wir sorgfältig heraus, bevor wir das Stück ein letztes Mal komplett polieren. Auf deinen Wunsch hin kann das Schmuckstück auch mattiert werden.
Weissgoldschmuck wird zur Veredelung der Oberfläche rhodiniert. Ein galvanischer Prozess, der das Schmuckstück mit Rhodium ummantelt. Dies verleiht dem Schmuckstück eine edle, helle Erscheinung. Heutzutage wird Weissgold mit Palladium legiert, was keinen Gelbstich verursacht, sondern eine weisse bis graue Farbe hat.
Die Übergabe an dich
Nachdem das Schmuckstück fertiggestellt ist, wird es in einer eleganten Holzbox präsentiert, die in Japan handgefertigt wird. Das Innenleben der Holzboxen ergänzen wir mit unterschiedlichen Stoffen wie Leder, speziellen Schnüren oder Holzeinlagen. Jede Box ist ein Unikat und wird speziell auf dich und dein Schmuckstück abgestimmt.
Neuanfertigung mit einem Wachsmodell
Für bestimmte Stücke nutzen wir Wachsmodelle, die wir mithilfe eines Wachsmodelliergeräts herstellen. Die Herstellung von Schmuck in Wachs bietet uns und dir zwei Vorteile:
- Realisierung spezieller Formen und Oberflächenstrukturen, die in Metall nicht umsetzbar wären.
- Modell in Originalgrösse, um die genauen Dimensionen am eigenen Körper zu erleben.
Dabei können wir jederzeit auf deine Änderungswünsche eingehen und dein Stück anpassen. So stellen wir sicher, dass jedes Detail deinen Wünschen entspricht. Sobald du mit deinem Wachsmodell zufrieden bist, lassen wir dieses giessen. Unsere Giesserei bietet eine beeindruckende Palette an Materialien für die Umsetzung deines Traumschmuckstücks:
- Silber
- Gelbgold, 2N, 3N (Hellgelb, Sattgelb)
- Champagner-Gold
- Roségold 4N
- Rotgold 5N, 6N (Hellrot, Sattrot)
- Weissgold
- Platin
- Palladium
Die Kunst des Giessens
Das Giessverfahren ermöglicht es uns, ganze Serien zu produzieren oder Abdrücke von Modeschmuck und antikem Schmuck in Edelmetall umzusetzen. Bei beiden Varianten, ob Serie oder Einzelstück, fertigen die Giesser:innen eine Gummiform an.
Die Form dient dazu, Wachsabdrücke zu giessen und daraus Metallgüsse herzustellen. Diese Technik garantiert, dass jedes Stück exakt gleich aussieht.
Sobald wir die Metallgüsse erhalten, beginnt unsere Feinarbeit. Zuerst entfernen wir die Gussköpfe und die Gusshaut mit Feilen und Fräsern. Danach ist der Verlauf wie bei einem handgefertigten Schmuckstück: Wir bearbeiten die Oberfläche, bereiten es für externe Arbeiten vor und kontrollieren und polieren es zum Abschluss gründlich.
Ist alles erledigt, erhältst du dein Schmuckstück genauso, wie du es zuletzt in Wachs gesehen hast – natürlich auch in einer handgefertigten Holzbox aus Japan.
Aktuelle Aufträge
Aktuell arbeiten wir mit Onkai Heiwa, der Hut- und Ledermanufaktur aus Zürich, zusammen. Wir fertigen ihnen massgeschneiderte Hutpins, Knöpfe und D-Bügel für Handtaschen – alles in Serie, um Qualität und Preis zu optimieren und sicherzustellen, dass jedes Stück ein perfektes Ebenbild des anderen ist.
Ein weiterer Auftrag, den wir gerade bearbeiten, sind die Lieblings-Creolen einer Kundin, die in die Jahre gekommen sind. Die Vergoldung blättert ab und das Metall oxidiert, sodass die Creolen nicht mehr schön und tragbar sind. Unsere Lösung? Neuguss in strahlendem Gelbgold 750. Ein klassischer Fall von «aus Alt mach Neu».
Handwerk trifft auf Herz
Durch unsere traditionellen Goldschmiedetechniken verleihen wir deinem Schmuckstück ein Stück unserer Leidenschaft für die Goldschmiedekunst.
Und jedes Schmuckstück, das unser Atelier verlässt, ist nicht nur ein Zeichen handwerklicher Kunstfertigkeit, sondern auch ein Spiegel deiner persönlichen Geschichte und Träume.